Professor für Soziologische Theorien und Kultursoziologie
am Institut für Soziologie der Technischen Universität Dresden
ARBEITSGEBIETE UND FORSCHUNGSPROJEKTE
Soziologie des Auditiven:
Akustische Medientechnologien, Sounderleben und Pop-Kultur
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Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert haben akustische Medientechnologien durch Speicherung (Grammophon, Schallplatte) oder Übertragung (Telefon, Radio) auditive Phänomene gesellschaftlich verfügbarer gemacht als je; unter den Bedingungen des Internet, mobiler Musiknutzung und Sounddesign hat sich dies noch weiter forciert. „Auditive Kultur“ wird im 20. Jahrhundert zu einer, in der Soziologie weitgehend vernachlässigten, Sinn(es)dimension, die von technologischen Möglichkeiten (aber auch Restriktionen), von wirtschaftlichen Interessen (aber auch Demokratisierungstendenzen) sowie von den Erfahrungen, Vorlieben und Erwartungen gesellschaftlicher Gruppen (Generationen, Milieus etc.) geprägt ist. Dies zeigt sich deutlich (aber keinesfalls nur) an der populären Musik, in der tradierte Erlebnisweisen, Begrifflichkeiten und ästhetische Formen des Musikalischen in Frage gestellt, aber auch neue Weisen des Hörens und Erlebens auditiver Phänomene erschlossen und gesellschaftlich verbreitet werden. In diesem Forschungsfeld wird eine kultursoziologische Perspektive auf den Wandel und die gesellschaftliche Einbettung der auditiven Kultur v.a. seit dem 20. Jahrhundert entwickelt, die auch die Erkenntnisse der Sound Studies einbezieht.
“Konsumismus als modernes Weltverhältnis”:
Historische Soziologie und Gesellschaftstheorie des modernen Konsums
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Der Konsum wird in der Soziologie zumeist als wirtschaftliches oder ungleichheitsbezogenes Phänomen, als Datenbasis für Analysen des Verbraucherverhaltens oder als privilegierter Ausdruck von Lebensstilen angesehen. So triftig diese Zuschreibungen sind, es stellt sich doch die Frage, weshalb der moderne Konsum derart disparate Funktionen übernehmen kann. Meine Arbeiten zur Soziologie des Konsums widmen sich vor diesem Hintergrund einerseits der Genealogie der modernen Konsumvergesellschaftung als einem bislang vernachlässigten Modernisierungsprozess und andererseits den subjektivitätsgenerierenden Effekten des modernen Massenkonsums.
“Psychotechnik und Radiophonie”:
Soziologie medialer und datenförmiger Vergesellschaftung
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Meine Dissertation sowie eine Reihe weiterer Publikationen befassen sich mit der Konstitution von Subjektivität durch mediale und sozialregulative Verfahren, ausgehend von umfassenden Archivrecherechen zur Psychotechnik und Radioverwendung in den 1920er Jahren. Die Psychotechnik etabliert sich im Zuge der Rationalisierungsprogramme der 1920er Jahre als eine erste Spielart angewandter Psychologie. Ihre Eignungstests informieren über die psychischen Eigenschaften von Individuen, indem sie sie auf ihre durchschnittliche Verteilung in Gruppen sowie auf funktionale Anforderungen (v.a. der Arbeitswelt) beziehen. Zeitgleich wird mit der Einführung des Radios das simultane Erleben eines räumlich verstreuten Publikums zu einer neuen Facette sozialer Wirklichkeit, die durch dramaturgische und technische Mittel gestaltbar ist. In der Psychotechnik wie in der Radioverwendung geht es nicht einfach um Auffassungen von Subjektivität, sondern um Subjektkonstruktionen, die ohne die entsprechenden Instrumente gar nicht zu haben sind. Psychotechnik und Radiophonie kommen so als Verfahren in den Blick, welche die tradierte Grenze zwischen Innen- und Außenwelt unterlaufen und neuartige, instrumentell-regulative Subjektivierungsweisen etablieren. Auf die Vorarbeiten des Dissertationsprojekts greife ich auch in neueren Publikationen im Spannungfeld von Mediensoziologie, Kultursoziologie und Theorie der Moderne zurück. In letzter Zeit bin ich dabei, eine allgemeinere Perspektive auf die Soziologie auditiver Wahrnehmung (unter den Bedingungen technischer Medien) zu entwickeln.
“Kultursoziologie und/als soziologische Theorie der Moderne”:
Massenkultur – kulturelle Zäsuren im 20. Jahrhundert
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Mein Bestreben in der Sektion Kultursoziologie, der ich seit 1998 angehöre, ist es, die Breite der verschiedenen, älteren wie neueren Positionen der Gesellschafts- und Kulturtheorie präsent zu halten und dabei besonders die Übergänge zwischen kultur- und allgemeinsoziologischen Theorien zu betonen. Ich teile die mit der Geschichte dieser Sektion verbundene Auffassung, dass es sich bei der Kultursoziologie zwar einerseits um eine spezielle Soziologie kultureller Sparten handelt (im Sinne einer Literatur-, Kunst- oder Musiksoziologie), sie aber andererseits auch eine für die Soziologie insgesamt unverzichtbare allgemeine Perspektive auf die ästhetischen, technisch-medialen, religiösen und sprachlichen Wirklichkeitsdimensionen darstellt, ohne die weder eine Theorie der Gesellschaft, noch eine gesellschaftstheoretisch informierte soziologische Gegenwartsdiagnose auskommt. Von besonderer Bedeutung ist für mich in diesem Zusammenhang eine elaborierte Theorie der Massenkultur, die ihren Gegenstand nicht aus einer normativ geleiteten Unterscheidung von einer “Hochkultur” gewinnt, sondern die kulturellen Zäsuren des 20. Jahrhunderts auf die zunehmende Relevanz technischer Medien (Massenmedien) und veränderter Lebensweisen (Auflösung ständisch-klassenbezogener Partialkulturen) sowie voraussetzungsarmer Aneignungsformen (Konsum) und neuer Trägergruppen (Mittelschicht) zurückführt.
“Diskursanalyse und historische Semantik”:
Anschlüsse an die Diskursanalyse Foucaults
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Neben den gesellschaftstheoretisch noch nicht ausreichend ausgeschöpften Überlegungen Michel Foucaults zum Konzept der Normalisierung stellt auch sein Verständnis der Diskursanalyse einen Bezugspunkt meiner eigenen Arbeiten dar. Allerdings stehe ich neueren Versuchen, die Diskursanalyse Foucaultscher Prägung als eine sozialwissenschaftliche Methode zu reformulieren, eher skeptisch gegenüber, denn mir scheinen dabei zentrale Prämissen des Foucaultschen Konzepts – insbesondere die Ausklammerung der Akteursperspektive – aus dem Blick zu geraten. Gleichwohl ist die diskursanalytische Perspektive, welche die Eigenqualität semantischer Prozesse in der Abgrenzung von Akteursintentionen und sozialstrukturellen Determinanten hervorhebt, gut dazu geeignet, materiale soziologische Forschungen anzuleiten: Denn ihr wichtigstes Anliegen ist die Kontrolle von begrifflichen Vorverständigungen, die sich besonders bei der Bearbeitung sprachlicher Zeugnisse manifestieren (vgl. meinen Beitrag “Was ist ein Diskurs”). In einem soziologischen Forschungsseminar zum Elbe-Hochwasser im Jahr 2002, aus dem auch eine Publikation hervorgegangen ist, wurde versucht, die diskursanalytische Perspektive in diesem Sinne auf einen ungewöhnlichen Gegenstand zu beziehen, eine soziale Ausnahmesituation.